Bischof Wittmann, „Apostel der Klarheit inmitten großer Verwirrung“

„Jeder beim Synodalen Weg sollte sich wenigstens einmal über Wittmann informieren und sich mit seiner Reform, die nachweislich erfolgreich war, auseinandersetzen.“
kath.net-Interview mit Bischof-Wittmann-Biograf Martin Lohmann

Regensburg-Bonn (kath.net) Der Regensburger Bischof Georg Michael Wittmann „vertraute nicht auf Gremien, Sitzungen, Prozesse. Er wollte keine Anpassung an die Welt“, sondern „er wollte eine Anpassung der Kirche an Gott und seine, die einzig wirkliche Wahrheit und Freiheit.“ Das sagt Martin Lohmann, Historiker, Theologe und Biograf des früheren Regensburger Weihbischofs, der 1833 zum Bischof von Regensburg designiert verstarb. Lohmann äußerste sich anlässlich der Nachricht, dass Papst Franziskus den heroischen Tugendgrad Wittmans bestätigt hat, kath.net hat berichtet. Lohmann weist darauf hin: „Jeder beim Synodalen Weg sollte sich wenigstens einmal über Wittmann informieren und sich mit seiner Reform, die nachweislich erfolgreich war, auseinandersetzen.“

kath.net: Herr Lohmann, Sie haben ein viel beachtetes Buch über den Regensburger Bischof Georg Michael Wittmann geschrieben, das nach nur vier Monaten im Sommer dieses Jahres in zweiter Auflage erschienen ist. Jetzt hat Papst Franziskus den Heroischen Tugendgrad dieses außergewöhnlichen Seelsorgers, Bischofs und Reformers anerkannt und verkündet. Damit geht das Seligsprechungsverfahren in seine entscheidende Phase und bekommt einen enormen Schub. Freuen Sie sich als Autor der jüngsten Biografie über Wittmann?


Martin Lohmann:
Und wie! Als ich mich für mein Buch mit ihm befasste, war ich sehr rasch unglaublich beeindruckt und begeistert. Wittmann war ein demütiger, starker und hellwacher Bischof, der in ausgesprochen schwierigen Zeiten für die Kirche vor allem die Nähe zu dem suchte, dessen Kirche es ja letztlich ist: Jesus Christus.
Der gebildete und kluge wie vor allem fromme Mann hatte es wahrlich nicht leichter als heutige Seelsorger. Vor zweihundert Jahren wurde so ziemlich alles in der Kirche durcheinander gewirbelt, der Klerus steckte in einer massiven Krise, neue Ideen der Aufklärung schienen eine Neuerfindung der Kirche zu verlangen.
Man gab damals, wie es Wittmanns Nachfolger in Regensburg, Bischof Rudolf Voderholzer, bei der Buchvorstellung im März 2019 sagte, auf die Kirche keinen Pfifferling mehr. Gläubige Menschen schienen von gestern und vorgestern zu sein.
Aber Wittmann gelang es in 45 Jahren seiner Tätigkeit als Subregens, Regens, Weihbischof und ernannter Bischof von Regensburg, mehr als 1500 katholische, apostolische und durch ihr Vorbild den Glauben bezeugende und vermehrende Priester – sagen wir mal – „von oben“ werden zu lassen.

kath.net: Sehen Sie darin eine Botschaft für uns heute?

Lohmann: Und ob! Der hoffentlich eines Tages Selige aus Regensburg, dessen Grab ununterbrochen besucht wird und wo man offenbar gerade ihn als Fürsprecher bittet, ließ sich überhaupt nicht irritieren. Er lebte seinen Priestern vor, was er auch von ihnen verlangte: Disziplin, Askese, fünf Stunden Gebet pro Tag, also intensive Vertrautheit mit dem Herrn, den Menschen zugewandt und auf Gott konsequent ausgerichtet.
Man könnte sogar sagen: Weil Wittmann so sehr auf Gott ausgerichtet war, hatte er die Menschen besonders im Blick.
Er vertraute nicht auf Gremien, Sitzungen, Prozesse. Er wollte keine Anpassung an die Welt.
Er wollte eine Anpassung der Kirche an Gott und seine, die einzig wirkliche Wahrheit und Freiheit. Er wollte eine Anpassung an die ewig gültige Wahrheit der Kirche, und zwar mitten in dieser Welt.

kath.net: Da fällt einem sofort der Synodale Weg ein….

Lohmann: … den Wittmann wahrlich nicht kannte. So etwas kam ihm auch nicht in den Sinn. Er war vielmehr davon überzeugt, dass jede Reform der Kirche nur über und mit Christus geht.
Reform der Kirche nach vorne beginnt immer mit der Annäherung an Christus, an die geoffenbarte Frohe Botschaft, die ja nicht altert und nichts an Zukunftskraft verliert.
Wittmann war überzeugt, dass nur mit der Neuausrichtung auf eine andächtige und – sagen wir das vermeintlich unmoderne Wort ruhig einmal – fromm gefeierte heilige Messe die wahre Reform gelingen kann.
Er war zutiefst davon überzeugt, dass aus der Anbetung Gottes viel Gnade erwächst und gerade der Kirche in einer wilden Welt die Kraft zur heilsamen Wirkung in eben dieser geschenkt wird.
Noch einmal: Wittmann war in besonderer Weise der Welt und den Menschen zugewandt, weil er in außerordentlich treuer Weise sich täglich Gott zuwandte.
Wenn Christus, der Gottessohn die Form der Kirche ist, dann ist eine Re-Form immer eine notwendige Entweltlichung, wie das Papst Benedikt XVI. in seiner berühmten Freiburger Rede zum Ausdruck brachte.

kath.net: Woraus schöpfte der Bischof denn seine Kraft und Unerschütterlichkeit?

Lohmann: Ich würde sagen: Er war, was offenbar viele Katholiken heute nicht mehr so selbstverständlich wissen, unerschütterlich in seinem aus Glauben gespeisten Wissen davon überzeugt, dass Jesus eben auch der Christus war, ist und bleiben wird. Er glaubte fest, dass er der Gottessohn ist, der in der heiligen Eucharistie wahrhaft zugegen ist. Das machte Wittmann letztlich so glaubwürdig und apostolisch.
Kein Wunder, dass nach seinem Tod Regensburg die größte Beerdigung aller Zeiten erlebte. Die Menschen ahnten und wussten damals bereits, dass da ein bescheidener – verzeihen Sie mir diesen Ausdruck – Gigant des Herzens und der Seele von uns gegangen war und heimkehrte ins Vaterhaus.
Aus der Glaubensgewissheit auf die Berufung jedes Menschen ins ewige Leben speiste sich seine Strahlkraft im Glauben. Dieser Bischof war als glaubwürdig Demütiger und Frommer ein Apostel der Klarheit inmitten von Zeiten großer Verwirrung und ungezählter Versuchungen.

kath.net: Dann meinen Sie, Wittmann könnte ein Wegweiser auch für heute sein?

Lohmann:
Selbstverständlich. Das liegt doch auf der Hand. Ich finde es geradezu providentiell, dass ausgerechnet zum Start des sogenannten Synodalen Weges in Deutschland diese wunderbare Nachricht mit der Aussicht auf einen mentalen und herzensstarken neuen Apostel der Deutschen aus Rom kommt.
Und allen, die meinen, Wittmann sei von gestern, darf ich den bescheidenen Hinweis geben, dass seine Vorstellungen vom Priester sich eins zu eins in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils wiederfinden.
Jeder beim Synodalen Weg sollte sich wenigstens einmal über Wittmann informieren und sich mit seiner Reform, die nachweislich erfolgreich war, auseinandersetzen. Das kann zu einem guten Erkenntniszuwachs führen. Ich jedenfalls habe viel durch und mit Georg Michael Wittmann gelernt.

kath.net: Ist Georg Michael Wittmann für Sie schon ein Seliger und Heiliger?

Lohmann: Natürlich. Es gibt ja viel mehr Heilige als diejenigen, die von der Kirche als solche benannt werden. Die Kirche „macht“ ja keine Heiligen, sie stellt nur irgendwann fest, es endlich erkannt zu haben und gestattet offiziell die Verehrung. Es steht jedem frei, Wittmann schon jetzt als Fürsprecher – gestatten Sie mir diese Formulierung bitte – zu nutzen.
Gerade die Kirche in Deutschland, die in einer schwerwiegenden Glaubenskrise mit viel Verführung, Versuchung, Irritation und Glaubensabfall steckt, braucht einen solchen klugen, weisen, umsichtigen, gebildeten, glaubensfrohen und sensiblen Fürsprecher bei Gott, auf dass Seine Kirche in Deutschland wieder ganz auf Ihn ausgerichtet ist – und so den Menschen wirklich und wirkmächtig dient.

 

Buchtipp:
Georg Michael Wittmann
Bischof, Seelsorger und Reformer
Von Martin Lohmann
Taschenbuch, 152 Seiten; 20 Abb.
2019 Pustet, Regensburgn(2. Aufl.)
ISBN 978-3-7917-3038-7
Preis Österreich: 13.40 EUR

Quelle: http://kath.net/news/69918 (Erschienen am 02.12.2019)