Köln, Woelki und die Medien. Am Rhein wütet ein Hurrikan der Begriffe, der Verwirrung und der Emotionen. Es gibt Fragen über Fragen. Was und wem kann man noch glauben? Wer ist ehrlich? Wer nicht? Viele tragen zum Wirrwarr bei. Medienleute, Priester, Funktionäre. Schräges hat Konjunktur. Objektivität und Differenzierung hingegen landen auf der Verbotsliste. Alles wird miteinander verklebt. Will man vor allem Rainer Maria Kardinal Woelki waidwund schießen, weil er den Synodalen Umbauprozess nicht mitmacht? High noon? Ist alles schon zu spät?
Kampf um die Deutungshoheit beginnt
Eine Visitation im Erzbistum Köln. Diese vom Vatikan angeordnete Apostolische Visitation beflügelt die Erwartungen im Erzbistum. Die Situation soll genau untersucht werden.
Nach einer Sitzung des Diözesanpastoralrats mit dem Erzbistum, die von Teilnehmern als durchaus konstruktiv beschrieben wird, beginnt der Kampf um die Deutungshoheit. Ein medienaffiner Stadtdechant meldet sich öffentlich und im Gewande der Sorge gegen den eigenen Bischof zu Wort. Nach der Sitzung, so die Kritik, sei eine Pressemitteilung des Erzbistums verschickt worden, die nach Angaben einiger Delegierter zufolge aber nicht ganz mit dem Entwurf übereinstimme, über den abgestimmt wurde. Das Erzbistum hat bisher nicht dazu Stellung genommen. Geht es um die Kirche Jesu Christi – um Wahrheit und Aufklärung? Der Kardinal sitzt derweil, so wirkt es, wie gefesselt in einer Falle. Einer Medienfalle?
Erstaunlich, wie Medienvertreter etwa völlig übersehen und deshalb beredt verschweigen, dass das Landgericht Köln der Bild-Zeitung bereits in einem fünften Fall eine wahrheits- und faktenwidrige “rechtswidrige Kampagne” gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki untersagen musste. Ein Redakteur lässt Fakten weg, verdreht und erfindet haltlose Verdächtigungen – weil es dann besser in die Vernichtungs-Story passt. Andere schreiben eifrig ab und verbreiten Fakenews über Woelki. Einige fragen sich, inwieweit bei manchen Protagonisten gegen Woelki und für eine komplett andere Kirche eigene Lebenswege subjektiv den objektiv notwendigen Prozess der Aufklärung und Aufarbeitung überwölben. Doch rechtfertigt eine eigene Agenda, die katholische Lehre durch ein Verbiegen “anzupassen”? Wenn gar eine ZdK-Vizepräsidentin – Missbrauchsskandal und sogenannten Reformweg verknüpfend – verrät, es müsse als Folge des Missbrauchs strukturelle Veränderungen geben etwa im Blick auf die Sexuallehre der Kirche, den Zölibat und die Frauenordination, dann sind viele Fragen beantwortet. Unfreiwillig. Entlarvend. Denn nachweislich sind diese Themen keine Ursache für den widerlichen Missbrauch, den es auch dort gibt, wo diese “Probleme” fehlen.
Eine Medienabteilung als Nullnummer
Man hört, manche Kommunikationspanne und die Unmöglichkeit, Totalkonfusion zu vermeiden, sei auch selbstverschuldet. Die 45-köpfige Medienabteilung im Generalvikariat des Kardinals scheint für viele zur Nullnummer im Kampf um Informationen und öffentlich wahrgenommener Wirkung für den eigenen Dienstherrn verdammt zu sein. Es gibt offenbar viel scheue Reaktion statt mutiger Aktion. Angst statt Akzentsetzung. Coaching und Beratung stehen eher auf einer nicht beachteten To-do-Liste in Krisenzeiten – wenn überhaupt. Kann das Kölner Maß an Konfusion jetzt noch gedreht werden?
Vieles deutet darauf hin, dass es häufig weniger um Opferschutz oder Opfervermeidung geht, sondern darum, einen Kritiker des sogenannten Synodalen Weges aus dem Weg zu räumen. Auffällig, dass immer wieder der Kölner Oberhirte im Fokus der Scheinwerfer aller Kritik steht, obwohl rechtlich geklärt wurde, dass er eben nicht vertuscht hat. Hat eigentlich ein anderer Bischof so viel und unbeirrt für Aufklärung und Missbrauchsvermeidung getan wie der Kölner Legatus Natus?
Die Kölner Krise ist nicht nur ein mediales Desaster. Sie dokumentiert auch einen innerkirchlichen Kulturkampf. Und da lugt der Missbrauch des Missbrauchs hervor. Franziskus könnte helfen. Er will kein bischöfliches Weglaufen vor eigener Verantwortung und Fehlentscheidungen. Woelki sieht für sich – im Unterschied zu anderen, die vertuschten (?) – keinen Grund zur Flucht.
Hat die Apostolische Visitation römischen Durchblick ermöglicht? Nicht nur die Kirche Christi am Rhein braucht Klarheit und Fairness.
Quelle: https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/aktuell/high-noon-in-koeln;art4874,219116