Martin Lohmann im KATH.NET-Interview nach vorhergehender Kritik an Woelki: „Ich zitiere noch einmal Kardinal Woelki: ‚Leben, ganz gleich wie anfänglich, wie alt, wie gebrechlich oder wie versehrt: Es ist einmalig und kostbar!‘ Ich sage nur: Amen!“
kath.net: Herr Lohmann, Kardinal Woelki, den Sie seit gemeinsamen Studienzeiten kennen, hat sich am Tag der Unschuldigen Kinder eindeutig zum Lebensschutz bekannt. Sind Sie jetzt überrascht?
Martin Lohmann: Ja und nein. Vor allem bin ich hoch erfreut. Ich weiß ja, dass Rainer Maria Woelki nicht böse oder falsch ist. Und mir ist bekannt, dass er den Einsatz für den Schutz des Lebens schon früher sehr schätzte.
Ganz ehrlich: Ich bin ihm sehr, sehr dankbar für diese sehr klaren und deutlichen Worte zum Lebensrecht.
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Das stärkt, das baut auf. Woelkis Verbindung mit dem Fest der Menschwerdung Gottes und dem Respekt vor jedem Menschenleben ist nur logisch.
Es stimmt ja, gerade für Christen, dass wir spätestens seit Weihnachten die Pflicht haben, uns – wie er sagte – „für einen umfassenden Schutz des Lebens einzusetzen, das Leben zu behüten, es zu verteidigen.“ Und es ist richtig gut, wenn er dann sagt: „Das Leben eines Menschen ist vom ersten Moment seiner Existenz an bis zum letzten Atemzug ein heiliges Gut.“
Gott allein sei Herr über Leben und Tod, und er selbst stelle sich schützend vor das Leben des Menschen mit seinem Gebot: Du sollst nicht töten! Niemand habe das Recht, über menschliches Leben zu verfügen, „auch nicht in den ersten zwölf Wochen!“
kath.net: Der Kölner Kardinal hat da wohl einige Leute überrascht. Wie passt das mit all dem zusammen, mit dem er offenbar immer wieder irritiert?
Lohmann: Nun ja, auch ein Kardinal ist ja kein perfekter Mensch, sondern auf der Suche nach dem richtigen Weg. Und was Rainer Maria Woelki angeht, so kann man wohl sagen, dass er vielleicht in alle Richtungen zu überraschen versteht. Er irritiert. Immer wieder. Ja, das stimmt. Mal die einen, mal die anderen.
Doch aus dieser Predigt spricht etwas Grundsätzliches, etwas Selbstverständliches, was eines Kardinals würdig ist.
Eigentlich sagt er nichts Neues für Christen. Doch er sagt es sehr prägnant und – gerade jetzt – sehr klar. Etwa, wenn er betont: „Wo sich Menschen zu Herren über Leben und Tod aufwerfen, haben sie den Weg der Menschlichkeit bereits verlassen.“ Und das gelte auch für die Gesellschaft und den Staat. Volle Zustimmung. Und Zustimmung auch, wenn das auf andere Fragen neben Abtreibung und Euthanasie ausgedehnt wird.
kath.net: Das klingt jetzt ganz anders als Ihre Kritik, die Sie ja auch zu äußern wagen.
Lohmann: Wer mich wirklich kennt weiß auch, dass ich keine Angst vor Kritik habe, aber auch keine Angst vor einer Korrektur. Und ich sage immer wieder: Positives muss man auch positiv sehen, Gutes muss und sollte man anerkennen. Das tue ich gerne, und zwar aus freiem und frohem Christenherz heraus. Aber das ist doch eigentlich normal.
Und wie ich Rainer Woelki kenne, kann auch er mit Kritik und Widerspruch souverän umgehen. Gelegentlich sucht er sie ja auch geradezu.
kath.net: Sie haben kritisiert, dass Kardinal Woelki nicht für die abgetriebenen Kinder die Glocken läuten lässt wie einst für die ertrunkenen Flüchtlinge.
Lohmann: Damit kein Missverständnis entsteht: Man kann Leben nicht gegen Leben aufrechnen! Das eine tun und das andere nicht lassen, das wäre gut und richtig.
Es stimmt, dass ich mir – und da bin ich nicht der einzige – wünsche, dass man wieder für die vorgeburtlich getöteten Menschen am Tag der Unschuldigen Kinder die Glocken läuten lässt. Für die Flüchtlinge gab es 23.000 Glockenschläge quer durchs Erzbistum Köln.
Für die seit mehr als 30 Jahren rund sechs Millionen Menschen, die qualvoll noch im Mutterleib getötet wurden, könnte man eine deutschlandweite und konfessionsübergreifende, also ökumenische ähnliche Weckrufaktion machen.
Sicher, das würde manche irritieren. Doch das Leben und sein Recht haben ärgerliche Aufklärung doch verdient, oder?
kath.net: Zur Abtreibung findet Kardinal Woelki in seiner Predigt ebenso deutliche Worte wie zur Euthanasie. Das ist doch auch die Botschaft des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL) mit seinem Marsch für das Leben, oder?
Lohmann: Ja. Unbedingt. Auch wir fragen mit dem Kölner Kardinal: „Was ist das für eine Liberalität, die die Freiheit auf Kosten der Schwächsten propagiert?“
Auch wir sind davon überzeugt, dass man keinem Menschen, auch nicht am Ende seines irdischen Weges, die Lebensqualität, das Lebensrecht und die Würde absprechen darf.
Ich zitiere hier noch einmal Rainer Maria Woelki: „Leben, ganz gleich wie anfänglich, wie alt, wie gebrechlich oder wie versehrt: Es ist einmalig und kostbar!“ Und: „Wir haben es zu hüten! Das Lebensrecht ist das Grundrecht eines jeden Menschen!“
Ich sage nur: Amen!
kath.net: Also ist die Friktion zwischen BVL, dem Marsch für das Leben und dem Kölner Kardinal jetzt aufgehoben?
Lohmann: Das hoffe ich. Denn gerade in diesen entscheidenden und grundsätzlichen Fragen gibt es letztlich keine Diskrepanz unter Christen. Die darf es auch nicht geben, wenn unsere Botschaft erkennbar klar und einladend sein soll, also ankommen will.
Ich wiederhole hier gerne öffentlich: Ich bin Rainer Maria Kardinal Woelki sehr dankbar für diese so starke und unerschrockene Unterstützung aller, die wie er von der Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen in jeder Phase seines Lebens überzeugt sind und sich dafür auch gegen alle gesellschaftlichen Widerstände und Irrungen einsetzen.
Und ich lade den Kölner Erzbischof sehr herzlich ein, in diesem Jahr am Marsch für das Leben teilzunehmen. Er ist herzlich willkommen. Dann kann er sich gegen alle ihm möglicherweise zugesteckten Falschinformationen übrigens auch selbst davon überzeugen, dass wir freundlich und friedvoll einladen zu dem Engagement, das er so eindrucksvoll in seiner Predigt zum Fest der Unschuldigen Kinder gefordert hat. Aber auch alle anderen sind herzlich eingeladen, am 16. September nach Berlin zu kommen.